Koryu-Uchinadi-Seminar mit Matthias Hausmann

So ein komisches Gefühl…

… hatten am Wochenende wohl alle, die sich im Zittauer Dojo Otomo zum zweiten Koryu-Uchinadi-Karate Lehrgang mit Matthias Hausmann aus Berlin eingefunden haben. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was am Samstag und Sonntag folgen sollte, gab es am Freitag in der letzten halben Stunde des üblichen Freitag-Abend-Otomo-Hardcore-Profitrainings unter Leitung von Otomo Chefinstruktor Thomas Hönel San. Gasttrainer Matthias Hausmann führte eben die, die mutig genug waren, sich neuen Herausforderungen zu stellen, schon in dieser Zeit an einige Basics heran, die alle Mitglieder der Gruppe schnell lernten, so dass auch noch ein einfaches Bunkai realisiert werden konnte.

Danach ging es ins Jolesch und es wurde gegessen, Tschechisches Bier verkostet und angeregt geredet, bis irgendjemand auf die Uhr schaute und erschrocken feststellen musste, dass es doch schon halb 2 nachts war. Alles begab sich nach Hause um am nächsten Tag ausgeschlafen zum Training zu erscheinen. Trotz der widrigen Witterungsumstände fand sich eine große Zahl von lernwilligen Karateinteressierten ein und so wurde sogar fast pünktlich angefangen.

Und wie es sich gehört gleich so richtig aktiv mit: Theorie. Was sollte man auch sonst machen? Richtig, man muss sich einen Überblick verschaffen, beziehungsweise verschaffen lassen und dies tat Matthias auf seine charmant humoristische Art und Weise ganz ausgezeichnet, so dass nach ca. einer Stunde passiv-Aufwärmung durch Rumsitzen alle eine mehr oder weniger vage Vorstellung davon hatten, was Selbstverteidigung bedeutet (nämlich nicht nur gut Karate können), wo sie anfängt (nämlich mit dem komischen Gefühl), wo sie aufhört (nämlich mit einem blauen Auge) und wie sie (rein theoretisch) funktioniert. Ich möchte an dieser stelle einen (für mich) ganz besonders interessanten Punkt aufgreifen, den Matthias sehr gut vermittelte: Es ist zwischen „mutual acts of physical violence“ (gegenseitige/ gemeinsame Akte physischer Gewalt) und „habitual acts of physical violence“ (gewohnheitsgemäße Akte physischer Gewalt) zu unterscheiden. Was soviel Bedeutet wie: Wettkampf-Karate sieht gut aus, aber auf der Straße ist es einfach nicht praktikabel. Soweit eigentlich nichts neues, dennoch ein wichtiger Teil der Theorie.

Anschließend begann der Aktive Teil der Erwärmung, welcher aus Grundschulartigen Angriffs- und Verteidigungsflows der Clinch-Phase bestand, die es zu üben galt. Nach der großzügig bemessenen Mittagspause kamen dann auch Hebel und etwas komplexere Übungen ins Programm, die jedoch, soweit ich es mitbekommen habe, jeder irgendwie auszuüben schaffte. So und so ähnlich war der Nachmittag alles in allem ein herrlich erfrischendes und abwechslungsreiches Training mit vielen interessanten Techniken. Was dann am Samstag in der Kultuhr vor sich ging, vermag ich, auf Grund fehlender Anwesenheit meinerseits, nicht zu sagen, jedoch gehe ich schwer davon aus, dass es wie immer (anders geht’s ja auch gar nicht) genauso amüsant wie lehrreich und interessant war.

Ich für meinen Teil musste Sonntag früh nach ca. 4 Stunden schlaf feststellen, dass es nicht um 10, sondern um 11 losging. Das Training begann dann wie gewohnt (fast) pünktlich mit teils ausgewechselten, jedoch nach wie vor zahlreichen Teilnehmern. Bis zur Mittagspause wurden die Vortagsübungen noch einmal aufgefrischt und dann die Kata „Aragaki Sesan“ (die Shorei-Variante der Shorin/Shotokan-Ryu „Hangetsu“) gelernt. Der Lernprozess ging bei den meisten angenehm schnell und ohne größere Verständnisprobleme voran und nach nicht mal einer Stunde konnte jeder eine neue Kata. Und weil es ein Leben nach der Kata gibt, wurden dann bis zum (etwas nach hinten verschobenen) Schluss auch noch passende und praktikable Bunkaivarianten besprochen und trainiert.

Am Ende waren manche vielleicht etwas erschöpft und/oder müde, jedoch waren alle glücklich und zufrieden und fast jeder konnte den ein oder anderen Blauen Fleck (auch an den abwegigsten Stellen) oder auch eine hübsche Quetschung vorweisen. Nach professionellem Abschlussfoto (durch Matthias) löste sich dann die Lehrgangsgemeinschaft, nach gebührendem Applaus für den Held des Wochenendes, auf und jeder trollte sich nach Hause und freute sich über den ersten wolkenfreien Tag seit langer Zeit. Einfach mal ein klasse Wochenende, welches, wie ich denke, jedem etwas mitgegeben hat – ganz egal ob es um menschliches Verhalten oder um Karate geht. Die richtige Einstellung vorausgesetzt lernt man eben nie aus.

wloschy